Eine Erkundung der Víðgelmir-Lavahöhle
Die Víðgelmir-Lavahöhle findet man im Westen Islands in der Nähe von Reykholt. Sie liegt innerhalb des Hallmundarhraun Lava-Feldes, das über 50 km lang und ca. 7 km breit ist. Allein inmitten diesen Lavafeldes zu stehen, ist schon absolut atemberaubend. Die Krater, die das Lavafeld geschaffen haben, liegen unter dem Langjökull, Islands zweitgrößtem Gletscher. Vermutlich 900 n.Chr. fand hier eine mehrere Jahre andauernde Spalteneruption statt. Das aktuelle Beispiel einer Spalteneruption können wir am Fagradalsfjall bestaunen. Aber wie kommt es zu der Entwicklung einer Lavahöhle?
Als Nicht-Vulkanologin fasse ich es einmal sehr verkürzt so zusammen: Das flüssige Lava muss von der Qualität her eher dünnflüssig sein und die Möglichkeit haben, hangabwärts zu fließen. Es entsteht eine Art „Rinne“, in der die Lava fließt. Dabei erkalten die Ränder der Rinne schneller als die Mitte des Lavaflusses. Das gilt für die seitlichen Ränder genauso, wie für die Decke des Lavaflusses. Beides erkaltet demzufolge zuerst. Unter der abgekühlten Schicht fließt noch flüssiges, heißes Gestein weiter. Das macht zum einen sehr hübsche „Falten-Muster“ auf der Oberfläche. Zum anderen endet irgendwann einmal der heiße Nachschub aus dem Krater, die restliche Lava fließt ab und es bleibt ein Hohlraum unter der bereits erstarrten Lava des Randes und der Decke zurück. Und zack: ist eine Höhle entstanden!
Die Víðgelmir-Lavahöhle ist in Privatbesitz und man kann sie nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigen. Die Höhle ist über 1,5 km lang und bis zu 16 Meter hoch, so dass sie ein Gesamtvolumen von ca. 148.000 m3 hat. Das sind Zahlen, die man sich schlecht vorstellen kann und auch in Annäherung an den Höhleneingang wird das gesamte Ausmaß der Höhle zunächst nicht deutlich. Eine relativ unscheinbare Öffnung im riesigen Lavafeld führt auf Holztreppen und Stegen ins Erdinnere. Am Visitorcenter wurden wir zuvor mit Helmen und Stirnlampen ausgestattet und laufen nun im Gänsemarsch mit 10 weiteren Besucher:innen unserem fröhlichen isländischen Guide hinterher, der (oh Wunder) Geologie studiert und uns wirklich viele interessante Fakten zu Islands geologischen Besonderheiten näher bringt. Lustig ist er noch dazu, denn er bereitet uns wortreich auf den schwierigsten Teil der Höhle vor, auf dem wir („aber nur ganz kurz“) auf Knien durch ein enges Teilstück namens „The Squeeze“ robben müssen. Meine Augen werden groß und ich bereue die letzte Tüte Haribo, die in meinen Bauch gewandert ist- schließlich will ich nicht diejenige sein, die stecken bleibt. Naja, letztlich ist das alles nicht so wild, auf Knien robben muss niemand und auch die dicke Frau aus Deutschland passt easy durch den Spalt. Dennoch hat es etwas von „echtem Abenteuer“, während der Rest der Höhle durch den extrem gut ausgebaute Holzbohlenweg super easy zu bewältigen ist. In unserer Gruppe sind zwei Vorschulkinder dabei, die ohne Probleme die gesamte Strecke bewältigen können.
Immer weiter dringen wir in den Bauch der Lavahöhle vor. Hinter jeder Kurve erlischt das Licht des hinter uns liegenden Abschnitts und eine neue Gesteinsformation vor uns wird angestrahlt. Das ist extrem faszinierend. Wie Stalagtiten, die man vielleicht aus deutschen Tropfsteinhöhlen kennt, ragen Lavanadeln von der Decke, die natürlich nicht weiterwachsen (hier tropft ja nix nach, wie in deutschen Höhlen) und quasi in der originalen Form erhalten sind, wie zu Ende des Lavaflusses vor über 1000 Jahren! Dementsprechend kritisch behält der Guide uns alle im Blick. Anfassen steht quasi unter Todesstrafe.
Der Gegenpart der Lavanadeln sind Gebilde namens Lavapoo – keine Ahnung, ob der lustige Guide sich das ausgedacht hat oder es vielleicht einen entsprechenden geologischen Begriff dazu gibt. Auf jeden Fall sehen die von der Decke der Höhle heruntergetropften Lavaklumpen tatsächlich aus wie die Hinterlassenschaften meiner Hunde.
Am Ende des ausgebauten Bohlenweges wartet noch ein besonderes Erlebnis auf uns: für eine Minute werden alle Lichter in der Höhle und unsere Kopflampen ausgeschaltet und wir erhalten den Auftrag absolut still zu sein. Ein absolut irres Erlebnis. Ich bin ein wenig hin und hergerissen, ob ich es störend oder eher beruhigend finde, dass die beiden kleine Kinder in unserer Gruppe die Stille natürlich über eine Minute nicht halten können. Man sieht sprichwörtlich „die Hand nicht vor Augen“ und steht leicht schwankend in einer unglaublichen Atmosphäre.
Die 1,5 stündige Tour kostet knapp 50 Euro pro Person und ich kann sie wirklich nur weiterempfehlen.