Ich liege auf weichen Kissen gebettet und schaue in den Himmel. Über mir tanzen die grünen Nordlichter wie verrückt und eine sonore Stimme erzählt mir über den Fuchs, der nach der Legende der finnischen Samen bei seinem nächtlichen Lauf über die nordischen Berge mit seiner Rute den Schnee aufwirbelt und dabei Funken versprüht, die dann als Polarlichter am Himmelszelt zu sehen sind. Jetzt läuft auch der Fuchs über den Himmel, in den ich immer noch verzückt schaue. Es ist warm und gemütlich, denn ich liege auf einer Kissenlandschaft im Planetarium des Arktikum, Rovaniemis Museum für die Geschichte Lapplands.
Es ist Februar und der damalige Girlstrip soll uns nicht nur einen Besuch beim finnischen Weihnachtsmann bescheren, sondern wir wollen endlich unsere ersten Nordlichter sehen! Allerdings haben wir so gar keine Ahnung, wie wir das anstellen wollen. Uns plagen Fragen wie: wo sieht man die Lichter wohl am besten? Kommen sie nur zu bestimmten Zeiten und was ist eigentlich mit dem ganzen Schnee hier und den Wolken? Sind die Nordlichter trotzdem da?
Da bietet es sich doch an, uns in die Hände von „Profis“ zu begeben. Wir buchen eine „Nordlichtsafari“ beim örtlichen Tour-Anbieter. Brav finden wir uns um 22:00 Uhr in den Räumlichkeiten ein und werden, bei Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt, in Expeditionsanzüge gesteckt. Das macht viel Spaß und sorgt für die ersten Fotos des Abends. Dann geht es in einen Kleinbus, der uns durch die verschneite Landschaft Finnlands ins Hinterland transportiert, wo wir an einem Waldstück mit unserem Guide ausgesetzt werden und eine kurze Strecke bis zu einer Lichtung stapfen. Der Guide entfacht ein großes Feuer und gibt uns die grobe Richtung vor, wo eventuell Nordlichter zu erwarten seien. Wir stapfen weiter über die Lichtung, weg vom Feuer, in Erwartung eines großartigen grünen Spektakels. Ich halte mein Handy in der Hand (hahaha, als ob das damalige IPhone 6 zu einer solchen Nachtaufnahme in der Lage gewesen wäre), die Mitreisende hat immerhin eine Spiegelreflexkamera dabei, die (natürlich) im Automatikmodus eingestellt ist.
Plötzlich Rufe von unserem Guide. Die Nordlichter sind da!!! Verwirrt schauen wir uns um. Ich sehe gar nichts. Keinen Fuchs, keine tanzenden grünen Streifen. Wir beobachten die anderen Teilnehmer der Tour. Kameras auf Stativen werden in eine Richtung aufgestellt und freudige Erregung macht sich breit. Ich kneife die Augen zusammen und schaue meine mitreisenden Mädels an. „Da über den Wolken ist ein grauer Schleier. Ob es das ist?“ Wir sind unsicher. Mein Handy fotografiert schwarze Bäume vor schwarzem Himmel. Mit der Spiegelreflexkamera gibt es keine bessere Ausbeute. Der Guide kommt vorbei und verbreitet große Freude über die Nordlichter und teilt uns mit, dass nicht jedes menschliche Auge die Farben der Aurora Borealis als grün wahrnimmt. Er hilft mit der Spiegelreflexkamera und schüttelt angesichts des fehlenden Statives mit dem Kopf. Dennoch schauen wir der Mitreisenden über der Schulter und sehen erstmalig, was das die Kamera mit den richtigen Einstellungen zu Tage bringt: lila, rosa und auch grüne Lichtstreifen, die zwar nicht stark in Bewegung, aber immerhin deutlich zu erkennen sind. Wir sind euphorisch! Unsere ersten Nordlichter!
Fast Forward: heute liebe ich die Herbstreisen in den Hohen Norden. Die Jagd nach den grünen Lichtern hat etwas von einer Sucht – im positiven Sinne. Ich bin sehr dankbar inzwischen Nordlichter in Norwegen, Schweden, Island und auf den Färöern gesehen und fotografiert zu haben. Die Magie der ersten Nordlicht-Nacht werde ich nie vergessen, auch wenn ich über unsere damalige Naivität heute nur schmunzeln kann.
Ich hatte ein paar Learnings in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Sichtung von Nordlichtern, die ich gerne mit Euch teilen möchte:
What to see
Wie ich weiter oben schon schrieb: das menschliche Auge sieht die Nordlichter anders als das Objektiv der Kamera. Die Farben schwacher Polarlichter werden vom menschlichen Auge kaum wahrgenommen. Im Dunkeln sehen wir hauptsächlich Kontraste zwischen Hell und Dunkel. Wenn Du im stockdüsteren Wald stehst, sehen die Tannen auch nicht wirklich grün aus, oder? Lichtstarke Objektive sind wesentlich empfindlicher als unsere Augen und können dadurch Farben wiedergeben, die wir selbst nicht im Dunkeln wahrnehmen. Je heller die Polarlichter, desto farbiger kann man sie auch „live“ erkennen. Je näher man sich selbst an den Magnetpolen (Nord- oder Südpol) befindet, desto lichtstärker die Polarlichter. Wenn das Sonnen-Plasma bei Eintritt in die Erdatmosphäre auf Sauerstoffteilchen trifft, dann können grünliche Polarlichter am Himmel erscheinen. In höheren Schichten kann Sauerstoff auch rotes Polarlicht erzeugen. Stickstoff kann allerdings auch dunkelrote bis violette Polarlichter erzeugen. Zu Mischfarben kommt es, wenn mehrere Teilchen mit dem Plasma der Sonne agieren. Ich selber sehe nur die starken grünen Lichter. Mein Auge kann violett, rot und gelb nicht erfassen- das sehe ich dann auf dem Kamera-Display.
Where to go
Das Buchen einer geführten Nordlichttour erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit einer Sichtung, sondern schmälert in erster Linie Deine Reisekasse. Suche Dir lieber einen abgelegenen Ort mit wenig „Lichtverschmutzung“ (also künstlichem Licht). Es macht total viel Sinn, sich diese Orte BEI TAG anzuschauen, inklusive dem Weg, den Du bis zu Deinem Fotospot zurücklegen wirst. Aber auch hier gilt: sei nicht päbstlicher als der Pabst! Ich habe Nordlichter auch mitten in Reykjavik gesehen und da waren jeden Menge Lichtquellen im Weg! Wenn es Dir um schöne Fotos geht, suche Dir auch einen schönen Hintergrund für Deine Polarlichtbilder. Bei der Motivwahl am Tag hast Du am besten eine Kompass-App dabei, um zu überprüfen, ob der Berg/die Kirche/das Flugzeugwrack oder what ever Richtung Norden ausgerichtet ist. Denn meistens kommen die NORDlichter aus nördlicher Richtung ;0). Wenn es dunkel ist, hat uns das Sternenbild „Großer Wagen“ gute Dienst bei der Orientierung am Himmel geleistet. In den allermeisten meiner Nordlichtfotos wirst Du bei genauem Hinsehen auch den Großen Wagen entdecken.
When to go
Wann kommen sie denn, die Lichter? Schwer zu sagen. Ich selber nutze die „Aurora“-App, die mir anzeigt, wo sich die grünen Lichter aktuell befinden. Und natürlich gucke ich auch regelmäßig an den Himmel. Je dunkler die Nacht, desto leichter sind die Lichter zu erkennen, aber wir haben in diesem Jahr auch schon Sonnenuntergang mit Nordlicht abgelichtet. Alles ist möglich! Also: rausgehen! Auch wenn die Wolkendecke unerfreulich aussieht. Manchmal macht aber gerade die Wolkenlücke mit einem hellen Nordlicht dahinter ein tolles Fotomotiv aus. Die Apps schreiben auch gerne über sogenannte KP Werte (je höher, desto besser), aber das interessiert mich inzwischen nicht mehr sehr. Ich habe bei einem KP von 0,33 sehr schöne Lichter gesehen!
What to bring
First of all: Geduld! Nordlicht-Jagende zeichnen sich durch ein gutes Durchhaltevermögen, warme Kleidung und dem Willen zu Schlafverzicht aus :0))) Bringe am besten eine Stirnlampe mit, damit Du Deine abgeschiedene Ecke ohne Lichtverschmutzung auch unversehrt erreichst. Außerdem kann man mit der Stirnlampe lustige Bildmotive erschaffen. Wenn Du Fotos machen möchtest, brauchst Du entweder ein sehr gutes und modernes Handy oder eine klassische Fotokamera. Beide benötigen auf jeden Fall ein Stativ! Wenn Du mit einer Kamera unterwegs bist, solltest Du diese kennen und Dich schon mit allen Funktionen außerhalb des Automatikmodus vertraut gemacht haben. Es gibt hunderte Blogartikel von Fotografen, die Dir die besten Tipps zu tollen Aufnahmen geben können, da halte ich mich mal zurück. Für mich gilt jedes Jahr wieder: the struggle is real! Zwischen Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert probiere ich wild herum. Manche Bilder werden was, manche nicht. Da ich keinen Funkauslöser für die uralte Spiegelreflex besitze, nutze ich den Selbstauslöser, um Verwacklungen durch den Auslösemoment zu minimieren.
Last but not least
Nordlichter unter dem Himmel tanzen zu sehen, hat etwas Magisches. Je heller und lebendiger sie über einen hinwegtanzen, desto euphorischer werde ich. Es ist jedes Mal ein völlig anderes Erlebnis, kein Bild am Himmel gleicht dem anderen. In diesem Jahr hatten wir ein Haus auf den Lofoten gemietet und haben einfach den Vorgarten für unsere Fotos genutzt. Jetzt mag man denken: wie langweilig – immer gleiche Motive. Aber nein! Keine Nacht glich der anderen. Teilweise waren es die Wolken oder die Lichtverhältnisse, die andere Motive hervorbrachten. Oder die Nordlichter beschlossen plötzlich im Süden oder Westen aufzutauchen. In manchen Nächten waren sie statischer, an anderen bildeten sie verrückte Vorhänge oder ließen den Berg im Hintergrund wie einen grünspuckenden Vulkan wirken. Und dann diese Farben! Es ist schwer zu beschreiben. Ich befürchte, Du wirst Dir das selbst einmal ansehen müssen. Achtung: Die Sonnenaktivität folgt einem Zyklus – genau wie die Jahreszeiten auf der Erde. Es dauert durchschnittlich elf Jahre, bis die Sonne von einem Aktivitäts-Höhepunkt zum nächsten gelangt. Im sogenannten „Solar-Max“ können die Leuchterscheinungen manchmal sogar in Mittel- oder Südeuropa wahrgenommen werden. Aktuell befinden wir uns in einer sehr guten Phase von Sonnenaktivität. Nächstes Jahr soll sie ihren Zyklushöhepunkt erreichen. Also: solltet Ihr eine Nordlichtreise planen, dann in dieser Saison oder spätestens in 2024!
Eine Antwort
Was für ein schöner Artikel! Ich glaube, es war jeder bei seiner ersten Nordlichtbegegnung etwas blauäugig. Ich hab da auch so viel nicht beachtet. Aber ich hatte auch erst einmal richtig das Glück! Super Tipps!